von Felix Schmale [01.04.2024]
Bei aller Diskussion um die philosophischen Grundfragen des Dokumentarischen und damit auch des Fotojournalismus darf nicht außer Acht gelassen werden, dass das System des Fotojournalismus innerhalb eines kapitalistischen Systems operiert. Die fotografierenden Akteur:innen sind somit, insbesondere wenn sie den Journalismus als Hauptberuf ausüben, finanziell von ihrem Schaffen abhängig. Es muss Geld mit den produzierten Bildern verdient werden. Auf dem Fotojournalismusmarkt ist zu beobachten, dass gerade der deutsche Markt sehr volatil ist. Dies wurde zuletzt 2023 durch das Einstellen von etwa 20 Magazinen im Hamburger Verlagshaus 'Gruner + Jahr' deutlich.
Aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen (siehe dazu im Besonderen von Grittmann und Koltermann (2022)) im deutschen Fotojournalismus sind die Akteur:innen gezwungen, zusätzliche Aufträge anzunehmen, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Es sollte jedoch darauf geachtet werden, dass ethische und moralische Überzeugungen nicht aufgrund finanzieller Anreize durch Industriekunden über Bord geworfen werden. Obwohl es möglich ist, Auftraggeber:innen auch außerhalb des Journalismus nach ethischen Gesichtspunkten auszuwählen, besteht immer die Möglichkeit von Interessenskonflikten, die die Glaubwürdigkeit des Journalismus insgesamt beeinträchtigen können.
Es ist wichtig zu bedenken, dass Budgets für die Produktion von fotojournalistischen Arbeiten, wie sie in den 1990er und frühen 2000er Jahren üblich waren, nicht mehr existieren. Verlage sind darauf angewiesen, dass Fotojournalist:innen intrinsisch motiviert sind, sich um die Finanzierung ihrer Projekte zu kümmern.
Eine weitere Finanzierungsquelle für fotojournalistische Arbeiten sind Stipendien und Preise. Isermann (2015, S. 70) führt an, dass Preise zu einer Qualitätssicherung innerhalb des Journalismus führen. An dieser Stelle sollte betont werden, dass Preise und Stipendien nicht immer die gewünschte Wirkung erzielen, wie oft angenommen wird.
Zum einen sollte man darauf schauen, dass gerade Stipendien in einer sehr geringen Zahl existieren. Diese auch nur an eine geringe Zahl von Journalist:innen ausgeschüttet werden können. Dazu kommen auch hier Interessenkonflikten. Dazu kommen die Auswahlverfahren solcher Preise und Stipendien. Meist werden Jurys mit renommierten Akteur:innen innerhalb der Branchen besetzt. Dies hat oft zur Folge, dass bekannte oder bereits vorher bei anderen Preisen honorierte Arbeiten ausgezeichnet werden.
Bei aller Kritik möchte ich einen Vorschlag machen, gerade Nachwuchspreise mit anderen Auswahlverfahren zu versehen. Zuletzt wurde etwa bei einem Wettbewerb des Deutschen Designer Clubs ein »demokratisch-diskursives« Auswahlverfahren angewendet (vgl. Deutscher Designer Club & DDC, 2023). Dabei wählten die Einreichenden unter der Anleitungen von Expert:innen den Auswahlprozess. Somit bestand die Jury aus etwa 40 Personen (ebd.). Dies könnte sicherlich auch ein Weg sein Nachwuchsförderungen fairer zu gestalten.
Eine weitere wichtige Frage ist, ob den auslobenden Institutionen bewusst ist, dass sie die finanzielle Last der Verlage tragen. Preise und Stipendien finanzieren letztendlich das unternehmerische Missmanagement von Verlagshäusern. Der Fotojournalismus ist in seiner Struktur zeitlich überholt. Eine Neuformierung, gerade der ökonomischen Umstände der zuliefernden Akteur:innen, wäre zeitgemäß.
Deutscher Designer Club & DDC. (2023, Oktober 2). Die beste Jury der Welt, weil ihr es selbst seid! WAS IST GUT 2023. https://www.ddc.de/de/magazin/wig-2023-review.php
Grittmann, E., & Koltermann, F. (Hrsg.). (2022). Fotojournalismus im Umbruch: Hybrid, multimedial, prekär. Herbert von Halem Verlag.
Isermann, H. (2015). Digitale Augenzeugen: Entgrenzung, Funktionswandel und Glaubwürdigkeit im Bildjournalismus. Springer VS.
fotojournalismus.net – ISSN: 2943-324X – Impressum + Datenschutz